Pädagogik

Demokratie in der Schule

Die Mitbestimmung sollte zentraler Baustein einer Schule sein. Ist es doch die Aufgabe der Schule, Schüler zu verantwortungsvollen Mitmenschen zu erziehen. Verantwortung kann nur gelernt werden, wenn sie gelebt wird. So sollte Mitbestimmung nicht nur oberflächliche Themen betreffen, sondern auf allen Ebenen des Zusammenlebens in der Schule eine Rolle spielen.

Es ist einfach, eine schnelle Entscheidung zu treffen, aber es ist nicht immer einfach, mit den sich daraus ergebenen Konsequenzen zu leben. Es sollte mehr sein als ein Gefühl der Partizipation, es sollte vielmehr ein Erfahrungsraum geschaffen werden. Was brauchen junge Menschen mehr, als die Fähigkeit verantwortungsbewusst Entscheidungen zu treffen, die nicht nur egoistischer Natur sind, sondern dem Wohle aller Beteiligten entsprechen?

Mit acht/neun Jahren kommen Kinder in das regelmachende Alter. Sie fordern Diskussionen ein und möchten ihren Alltag mitbestimmen. Das Gefühl von „Das ist ungerecht“ beherrscht den Schulalltag. Bis dahin war das Kind mit dem eigenen Ich beschäftigt. Das freie Spiel, die eigenen Wünsche und der eigene Erfahrungsraum waren zentral. Nun beschäftigt sich das Kind mit dem Gegenüber. Es gelangt vom ICH zum DU. Ab jetzt sind Gespräche in Gruppen sinnvoll. Welche Regeln gelten in einem Sitzkreis? Welche Regeln braucht die Gruppe, um sich gut austauschen zu können? Lernbegleiter sind auf Augenhöhe mit den Schülern und im Gespräch mit ihnen. Vielleicht braucht es bestimmte Rituale, oder wechselnde Ruhechefs, um diskutieren zu können.

Es macht unheimlich viel Freude, Kinder in so einem Moment zu erleben. Die Kinder spüren, dass sie ernst genommen werden und dass ihr Beitrag wichtig ist. Sie strahlen dann von innen heraus und sprühen vor Kreativität und Ernsthaftigkeit. Das ist der Anfang von gelebter Mitbestimmung in der Schule. Im Weiteren können kleine Räte zu bestimmten Themen tagen, oder auch ein Schülerrat etabliert werden. Ein Schülerparlament würde mit weiteren Schulen vor Ort zusammenarbeiten.

Die Schulleitung in der Freien Schule ist oft weniger hierarchisch aufgebaut. Entscheidungen werden meist innerhalb eines Teams getroffen. Schulleitung, didaktische Leitung, zwei Erziehungsberechtigte und zwei Schüler besprechen Themen in Form einer Lenkungsrunde und können so unterschiedliche Perspektiven miteinander verbinden und gemeinsam Lösungen entwickeln. Selbstverständlich eignen sich nicht alle Themen für demokratische Abstimmungen. Über einen bestimmten Handlungsraum für schnelle Entscheidungen sollte die Leitung verfügen, trägt sie doch die Gesamtverantwortung für alle Bereiche in der Schule.

Demokratie bedeutet nicht, dass jeder alles mitbestimmen kann. Es bedeutet, dass jeder das Recht hat, sich dagegen zu entscheiden. Die Würde des großen oder kleinen Menschen bleibt so unantastbar.

Unterricht durch Entscheidungsfreiräume

Die meisten Kinder sind mit sechs Jahren noch in der Phase des Egozentrismus. Sie sind vollkommen mit sich selbst beschäftigt. Sie selbst sind der Mittelpunkt der Welt und die eigenen Belange sind zentral. Sie brauchen Freiräume, um sich leben zu können, aber auch klare Grenzen, um in bedeutungsvoller Gemeinschaft mit anderen zu sein. In diesem Entwicklungszeitraum sind sinnliche und haptische Erfahrungsräume grundlegend. Die meisten Möglichkeiten bietet die Natur für das freie Spiel und Entdeckungen mit allen Sinnen.

In den Aktiven Schulen bedeutet selbstbestimmtes Lernen, dass der Lernbegleiter keine direkten Impulse an die Schüler richtet. Er gestaltet die Lernumgebung und reagiert auf Impulse von Seiten der Kinder. Der Lehrer ist in Beziehung mit seinen Schülern. Er respektiert ihre Bedürfnisse und geht so auf jedes einzelne Kind ein.
Erst das regelmachende Alter mit ungefähr acht/neun Jahren eröffnet neue Möglichkeiten für das Zusammenwirken von Lernbegleiter und Schüler. Trotzdem bleibt ein Entscheidungsfreiraum für selbstbestimmtes Lernen. Der Lernbegleiter vertraut seinen Schülern.

Vielfältige Angebote ermöglichen Schülern neugierig zu werden und sich auszuprobieren. Einige Kinder lernen durch Beobachten aus der Ferne, andere sind direkt im Geschehen und beteiligen sich aktiv und andere probieren kurz aus und entscheiden sich um.
Selbstbestimmtes Lernen in der Schule bedeutet, sich vertrauensvoll zu begegnen und Entscheidungsfreiräume einzelner Menschen zu teilen.

Gleichfalls gibt es auch in den Freien Schulen Frontalunterricht. Die Kunst dabei ist, dass der Pädagoge die Schüler interessiert und sie so beeindruckt, dass sie sich das Gehörte erarbeiten wollen. Der Unterricht sollte vielfältig sein dürfen.

Haltung und Beziehungskompetenzen

Voraussetzung für die Lernbegleitertätigkeit sollte nicht nur die Fähigkeit zur Selbstreflexion sein, sondern die Umsetzung der daraus folgenden Konsequenzen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Lernbiographie führt unweigerlich zu der Beschäftigung mit Glaubenssätzen. Wie wirken sich diese auf das eigene Verhalten aus? Die Selbstwahrnehmung ist grundlegend für Beziehungskompetenzen. Nur wer sich selbst erfährt, kann die Bedürfnisse anderer wahrnehmen und darauf eingehen.

Ein Lernbegleiter sollte ein hohes Maß an Verantwortungbereitschaft mitbringen. Er sollte authentisch sein und mit sich und anderen wertschätzend und achtsam umgehen.

SELBSTERKENNTNIS STATT LEHRPLAN UND BEURTEILUNG

Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen sind Voraussetzung zur gesellschaftlichen Teilhabe. Wenn in einer Schule Gemeinschaft gelebt wird, ergibt sich die Notwendigkeit für die Kinder, sich diese Fähigkeiten anzueignen. Nur sollten wir ihnen den Zeitpunkt und die Art und Weise der Aneignung überlassen. Vertrauen wir den Kindern. Irgendwann fangen sie an zu lesen und zu schreiben und zu rechnen.

Manche Schulen arbeiten mit Lernlandkarten, die einen Lernweg zu einem bestimmten Bereich strukturieren. Das kann eine Hilfe für den Lernbegleiter, aber auch für Schüler sein.

Auf einer Lernlandkarten sind Lernziele anschaulich wie ein Weg gestaltet. Die Lernlandkarte ist kindlich und eine spielerische „Lehrplangestaltung“ für Kinder. Ein Beispiel wären die Ziffern 1 bis 10, die durch zehn Abschnitte dargestellt sind. Haben die Kinder die erste Zahl gelernt, können sie den betreffenden Abschnitt anmalen und beginnen nun in ihrem Tempo, sich mit der nächsten Ziffer zu beschäftigen. Die Lernlandkarte veranschaulicht die einzelnen Lernschritte und gibt den Kindern Auskunft über bereits Gelerntes und noch zu Lernendem. Diese Struktur hilft Kindern sich zurechtzufinden und Lernerfolge zu erfahren. Jeder weitere Schritt ist ein Erfolg und gesteckte Ziele sind so erreichbar.

Eine weitere Variante, um die eigene Lernentwicklung festzuhalten, ist das Lerntagebuch. Dort tragen die Kinder täglich ein, an welchen Projekten sie gearbeitet haben. Montags könnten sich die Kinder ein Wochenziel eintragen. Das kann zum Beispiel sein, die Woche in Schönschrift zu schreiben. Freitags könnten sie reflektieren, ob sie ihr Ziel erreicht haben.

Im Verlauf der Schulzeit werden die Lerntagebucheinträge ausführlicher und konkreter. Die Kinder tragen zum Beispiel ein, dass sie ein Buch zu Ende gelesen haben und planen für den nächsten Tag eine Plakaterstellung und für den übernächsten Tag eine Buchvorstellung. Die Kinder lernen so, zu planen und sich zu organisieren. Sie werden eigenverantwortlich und daraus entsteht Selbstständigkeit.

Lernlandkarten sind ein Bestandteil des Lerntagebuchs. Die schönsten Texte, Fotos von Ausflügen und Dinge, die eingeklebt werden können, gehören auch dazu. So erarbeiten sich die Kinder etwas, dass ihren persönlichen Lernerfolg und ihre Entwicklung dokumentiert. Ein Lerntagbuch ist viel wertvoller als ein Zeugnis.

Alle Beteiligten profitieren von der Übersicht und können sich darüber austauschen. Elternsprechtag und Zeugniskonferenz können nicht ersetzen, was ein Lerntagebuch bietet.

Ein Lerntagebuch ist die kindliche Form der Kompetenzenportfolioarbeit. Am Ende der Schulzeit sollte ein Schüler einen Überblick über seine Stärken und Fähigkeiten haben. Mit Hilfe eines Portfolios könnte er seine Lernbiographie und seine Kompetenzen anschaulich darstellen und sich so zum Beispiel einem Unternehmen vorstellen. Die Aussagefähigkeit eines Numerus Clausus ist sicher weit geringer.

Keine Bewertung mehr von oben, sondern Darstellung der eigenen Fähigkeiten aus der Selbsterkenntnis heraus, die sich über Jahre entwickelt hat.

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